Verhaltensauffälligkeiten – Symptome

Übernommen vom Verein Wir für Kinder Aachen (2011-2016)

Mögliche Auffälligkeiten und Symptome nach erlebtem sexuellem Missbrauch.


Die unten aufgeführten Verhaltensauffälligkeiten/Symptome können auf sexuellen Missbrauch hindeuten, sind aber kein eindeutiges Anzeichen dafür! Sollte ein Kind eines oder mehrere Merkmale aufweisen, wenden Sie sich bitte an den Kinderarzt, eine Beratungsstelle usw.Unabhängig davon, ob ein Kind missbraucht wird, sollten Verhaltensauffälligkeiten immer als Sprache des Körpers/der Seele verstanden werden.

Ein missbrauchtes Kind wird den Missbrauch aus Angst, Schuldgefühlen und Scham geheimhalten. Der Körper/die Seele des Kindes sendet aber aus der Not heraus Symptome. Nur ca 15% der missbrauchten Kinder weisen Verletzungen des Körpers auf, die Seele wird immer verletzt.

Ein besonnenes Handeln ist sehr wichtig. Stellen Sie Ihrem Kind keine Fragen, mit denen Sie ihm möglicherweise eine falsche Antwort suggerieren. Suchen Sie sich als Eltern, Erzieher/innen. usw. ebenfalls Hilfe bei einer entsprechenden Beratungsstelle.


Die folgende Übersicht gibt Symptome und emotionale Reaktionen bei Opfern von sexuellem Mißbrauch wieder.

GEFÜHLSEBENE
frühe Kindheit (bis 3 Jahre) Verhaltensebene
  • angenehme und unangenehme Empfindungen
  • Angst
  • Verwirrung
  • Schlaf-, Eßstörungen, Tendenz zu Verhaltensextremen
  • Angst vor Fremden, Rückzug
  • altersunangemessenes sexuelles Spielen

Vorschulalter (3 bis 6 Jahre) Verhaltensebene
  • angenehme und unangenehme Empfindungen
  • Verwirrung
  • Angst
  • Scham
  • Schuldgefühle
  • Gefühl der Schutz- und Hilflosigkeit
  • Wut
  • Angst, beschädigt und verdorben zu sein
  • regressives Verhalten: Babysprache, Bettnässen
  • Daumenlutschen, Festklammern
  • Rückzug
  • Schlafstörungen (Alpträume)
  • aggressives Verhalten
  • willfähriges Verhalten
  • häufiges und ausdauerndes sexuelles Spielen
  • öffentliches und andauerndes Masturbieren

Schulalter (6 bis 9 Jahre) Verhaltensebene
  • ambivalente Gefühle Erwachsenen gegenüber
  • Verwirrung über die Geschlechterrollenverteilung, Rollenverteilung innerhalb der Familie
  • Angst, Scham
  • Schuldgefühle
  • Unruhe und Unsicherheit
  • Wut
  • Angst, beschmutzt und beschädigt zu sein
  • Mißtrauen
  • sozialer Rückzug
  • Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Schlaf- und Eßstörungen
  • aggressives Verhalten, plötzliches, unerklärliches Schulversagen
  • Probleme, Grenzen einzuhalten
  • Willfährigkeit
  • Zwangshandlungen wie exzessives Baden, Waschen
  • sexuelles Ausagieren mit Gleichaltrigen und jüngeren Kindern
  • sexuell provozierendes Verhalten
  • keine adäquaten sozialen Beziehungen

Schulalter (9 bis13 Jahre) Verhaltensebene
  • ambivalente Gefühle gegenüber Erwachsenen
  • Wut, Angst, Scham
  • Schuldgefühle
  • Depressionen
  • Angst, beschädigt zu sein
  • Gefühl der Inkompetenz
  • Mißtrauen
  • Selbstmordgedanken
  • sozialer Rückzug, keine adäquaten sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen
  • Schule schwänzen
  • manipulatives Verhalten anderen gegenüber
  • sexueller Mißbrauch von jüngeren Kindern
  • promiskuitives Verhalten

Adoleszenz (13 bis 18 Jahre) Verhaltensebene
  • Wut, Scham
  • Schuldgefühle
  • sich betrogen fühlen, Mißtrauen
  • selbstdestruktives Verhalten, Drogenkonsum
  • von zu Hause weglaufen
  • aggressives Verhalten, Ausbeuten anderer
  • Übernehmen der Opferrolle
  • Vermeiden körperlicher und emotionaler Intimität
  • Selbstmordversuche

Symptome und emotionale Reaktionen nach sexuellem Mißbrauch in verschiedenen Altersphasen
(nach Woltereck, 1994, 83) in May 1997 © 1997 Donna Vita

Die wichtigsten Folgeerscheinungen nach sexuellem Mißbrauch bei Kindern zeigt die nachfolgende Übersicht auf. Diese Symptombereiche werden im Wesentlichen von den meisten Untersuchungsergebnissen bestätigt.

Körperliche Symptome von Mädchen und Jungen

Verletzungen

Bißwunden, Hämatome und Striemen im Genitalbereich, an den Innenseiten der Oberschenkel und in den erogenen Zonen, Blutungen, Risse, Abschürfungen, Rötungen und Wundsein an der Vulva, am Vaginaleingang, in Vagina, After, Penis, Hoden, Gegenstände in der Vagina, im After

ungewöhnliche Dehnungen der Vagina, des Afters

Körperliche und psychosomatische Symptome

  • länger anhaltende Schlafstörungen
  • plötzlich auftretende Sprachstörungen
  • erhöhte Schmerzgrenze
  • unübliches, wiederholtes Bettnässen
  • andauernde Verdauungsstörungen
  • Einkoten
  • vernachlässigtes oder übertriebenes Hygieneverhalten
  • Verspannungen, Haltungsschäden
  • plötzlich auftretende Legasthenie
  • Hauterkrankungen (z. B. Sonnenallergie, Neurodermitis, anhaltender Juckreiz, Ausschläge)
  • Asthma
  • Ohnmachtsanfälle/Kreislaufbeschwerden
  • Epilepsie
  • Migräne/Kopfschmerzen
  • Autismus, Rückzug aus sozialen Zusammenhängen
  • psychosomatische Blutungen (z. B. Nasenbluten)
  • physische und psychische Lähmungserscheinungen (vor allem in Armen und Beinen)
  • Geschlechtskrankheiten, Aids
  • plötzlich auftretende ‚Bauchschmerzen‘ ohne erkennbare Ursache
  • Schmerzen ungeklärter Ursache im Genitalbereich
  • Schmerzen ungeklärter Ursache beim Stuhlgang

Speziell bei Mädchen:

  • Eßsucht: sich unattraktiv machen, Speck zwischen sich und den Täter bringen
  • Magersucht: Negieren der Frauenrolle, sich ‚unsichtbar‘, dünn machen; Bulimie; Körperkontrolle (Essen und Erbrechen nach eigenem Maß)
  • Schwangerschaften
  • Hormonstörungen (vorzeitiges Wachstum der Schambehaarung bei kleinen Mädchen)
  • Genitalbeschwerden (Ausfluß, Pilzinfektionen, Schmerzen, Menstruationsstörungen)

Speziell bei Jungen:

  • Pilzinfektionen im Bereich von After, Penis, Mund und Rachenraum
  • Wundsein und Jucken an Penis und After

Psychische/emotionale Symptome bei Mädchen und Jungen

  • diffuse Ängste, z. T. verbunden mit Panikanfällen (z. B. Panik vor Autoritätspersonen, engen Räumen)
  • regressives Verhalten (Entwicklungsrückfall)
  • scheinbar unbegründete Angst vor Aids
  • Konzentrationsstörungen über einen längeren Zeitraum
  • aggressives Verhalten
  • Vereinsamung durch Rückzug von Freundinnen und Familie
  • zwanghaftes Verhalten (z. B. Waschzwang)
  • Phobien
  • Beziehungsschwierigkeiten, Kontaktstörungen
  • Psychosen
  • Multiple Persönlichkeitsstörung
  • Sprachstörungen (Stottern, Schweigsamkeit)
  • Scham- und Schuldgefühle (Probleme mit dem Aus-, Um- und Anziehen)
  • Hilflosigkeit, Unselbständigkeit
  • geringes Selbstwertgefühl
  • Ablehnung der eigenen Geschlechterrolle
  • Depressionen und depressive Verstimmungen
  • Zweifel an der eigenen Wahrnehmung
  • Berührungsängste
  • übertriebenes Anpassungsverhalten
  • Überreaktionen, „hysterisches“ Verhalten
  • Autoaggressionen (z. B. Suizidversuche, Nägelkauen, Drogen-, Tabletten-, Alkoholabhängigkeit, Haareausreißen, Arbeits- und Spielsucht, Schnippeln, Selbstverletzungen)
  • Suizidversuche, Selbstmordphantasien
  • scheinbar grundloses Weinen
  • wiederholtes Stehlen
  • ansteigende Unfallhäufigkeit (z. B. durch Ungeschicklichkeit, unkoordiniertes Verhalfen)
  • Unfähigkeit zur Selbst- und Fremdeinschätzung (Freundschaften)
  • Angst, sich fallen zu lassen (z. B. im Sport: Trampolinspringen, Wasserspringen)
  • Unfähigkeit, sich und anderen Grenzen zu setzen (nicht Nein sagen können)
  • Annahme einer Opferrolle
  • Entfremdungsgefühle, Isolation
  • Abspaltung von Gefühlen, Aufspaltung in mehrere Persönlichkeiten
  • Gefühl „verrückt zu werden“
  • Angst vor Stigmatisierung (‚Jeder sieht es mir an‘)
  • Flashbacks (plötzliche bildliche Erinnerungen an die traumatische Situation), für Außenstehende unverständliche Reaktionen wie Angst, Zittern, Weinen
  • Würge- und Erstickungsgefühle, „Kloß im Hals“, Schluckbeschwerden, Weigerung, den Mund weit zu öffnen (z. B. bei Zahnärztin, HNO-Ärztin, beim Eisessen)
  • In Kleidern/Schlafsack schlafen, sich fest einwickeln im Schlaf
  • sich wiederholende Alpträume
  • starke Abwehrmechanismen, Verleugnen, Verdrängen, Bagatellisieren
  • Angst vor Schmerzen im Genitalbereich
  • Ekel vor Körperlichkeit, Körpergerüchen, Körperausscheidungen
  • Mutismus
  • psychogene Amnesien, auch Teilamnesien

Speziell bei Mädchen:

  • den Körper in weiten Kleidungsstücken verstecken
  • plötzliche Isolation
  • Vertrauensverlust gegenüber Bezugspersonen

Speziell bei Jungen:

  • sexuell aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern
  • plötzlich auftretendes aggressives Verhalten allgemein
  • plötzliche Isolation
  • Brandstiftung, Zündeln
  • Vertrauensverlust gegenüber Bezugspersonen
  • Tierquälerei

Änderungen im Sozialverhalten von Mädchen und Jungen

  • Rückzug und Passivität
  • extremes Anklammern an Bezugspersonen, ständig auf der Suche nach Liebe
  • übertriebene Furcht vor Fremden
  • Verschlossenheit
  • distanzloses Verhalten
  • Mißtrauen
  • Einzelgängertum
  • Delinquenz
  • frühreifes Verhalten
  • Beziehungssucht
  • plötzliche Leistungsverweigerung
  • extreme Leistungsmotivation (Ziel: Ich-Stärke entwickeln, schnelle Ablösung aus dem Elternhaus)
  • extrem ohnmächtiges Verhalten, Opferrolle
  • extremes Machtstreben, Kontrolle ausüben
  • Weglaufen aus dem Elternhaus
  • „Trebegehen“, sich kaum zu Hause aufhalten
  • auffälliges Verhalten gegenüber bestimmten Männer- oder Frauentypen
  • sicheres Auftreten in Gruppen bei gleichzeitig ängstlichem Verhalten im Einzelkontakt

Speziell bei Jungen:

  • extremes Leistungsverhalten, Pedanterie
  • Veränderungen im Sexualverhalten zu Mädchen und Jungen
  • Sexualisieren von sozialen Beziehungen (z. B. in der Klassengemeinschaft)
  • exzessive sexuelle Neugierde
  • offene Masturbation
  • Bloßstellen/Zurschaustellen der Genitalien
  • zwanghaft promiskuitives Verhalten
  • altersunangemessenes Sexualverhalten/sexuelles Spiel
  • Verweigerung/Negierung sexueller Bedürfnisse
  • Prostitution
  • sexuell aggressives Verhalten
  • sadomasochistisches Sexualverhalten
  • Promiskuität
  • Regression, Pseudoreife

Speziell bei Mädchen:

  • auffälliges Verhalten während der Menstruation (Zurschaustellen von Binden etc. oder besonders beschämtes Verhalten)
  • zwanghaftes Sexualisieren von Intimität und körperlicher Nähe

Speziell bei Jungen:

  • sexueller Identitätsverlust (Angst vorm „Schwulsein“)
  • distanziertes und abwertendes Verhalten gegenüber Schwulen
  • ablehnende Einstellung zur Masturbation
  • Integration der Gewalterfahrung in die eigene Sexualität
  • häufiges, öffentliches Masturbieren
  • zwanghaftes Sexualisieren von Intimität und körperlicher Nähe
  • sexuelle Dysfunktion

Zusammenfassend lassen sich im Wesentlichen die folgenden Verhaltensweisen benennen:

  • sexualisiertes Verhalten, Regression oder Pseudoreife
  • Verweigerungsformen
  • Depression
  • Lernstörungen
  • dissoziative Verhaltensweisen
  • autoaggressives Verhalten
  • Suchtverhalten (Patricia L. Holmann, 1986, 69).

(May 1997, 325 ff)