Sexuelle Übergriffe unter Kindern – Doktorspiele
Was sind sexuelle Übergriffe?
Sexuelle Übergriffe unter Kindern sind sexuelle Handlungen, die wiederholt, massiv und/oder gezielt die persönlichen Grenzen gleichaltriger oder jüngerer Mädchen und Jungen verletzen.
Ein Kind ist sexuell übergriffig, wenn sie/er …
• andere zu sexuellen Handlungen überredet, verführt oder besticht,
• sexuelle Handlungen mit körperlicher Gewalt oder Drohungen erzwingt
• oder andere Kinder wiederholt und/oder gezielt an den Genitalien verletzt.
Zitat: Zartbitter e.V., Köln
Wichtige Merkmale zur Definierung von sexuellen Übergriffen unter Kindern sind: das Machtverhältnis der Kinder untereinander, die Frage nach der fehlenden Freiwilligkeit und ausgeübter Geheimhaltungs-Druck.
Machtverhältnis
Machtverhältnisse können sich durch den Altersunterschied oder die kognitive und körperliche Entwicklung ausdrücken. Sexuelle Übergriffe sind also auch bei gleichaltrigen Kindern möglich. Mädchen und Jungen können dabei gleichermaßen übergriffig/betroffen sein.
Fehlende Freiwilligkeit
Von fehlender Freiwilligkeit wird gesprochen, wenn ein Kind durch Gewalt, Drohungen, Erpressungen, Bestechung oder Täuschung zu sexuellen Handlungen gezwungen wird. Folgende Aussagen sollten dabei genauer betrachtet werden:
„Ich mache einen Witz/Trick“,
„Wenn Du das nicht machst, bin ich nicht Dein Freund / dann sage ich, Du hast … gemacht / spielt keiner mehr mit Dir / bist Du nicht cool“, usw.
Geheimhaltungs-Druck
Bei manchen Kindern reicht schon die ausdrückliche Ansage, dass sie nicht darüber sprechen dürfen – anderen wird mit Gewalt bis hin zum Tod gedroht.
Doktorspiele
Da sexuelle Übergriffe oftmals als Doktorspiele bagatellisiert werden, möchten wir sie auch kurz ansprechen. Doktorspiele finden unter sich vertrauten Kindern statt und dienen der Körpererfahrung. Da kindliche Sexualität nicht mit der Erwachsener verglichen werden kann, kommt es bei Doktorspielen auch nicht zu sexuellen Handlungen, die an erwachsene Sexualität erinnern. Kinder imitieren Geschlechtsverkehr, indem sie z.B kichernd aufeinander liegen und sich bewegen. Wie schon der Name ausdrückt, erkunden Kinder im Rollenspiel gleichberechtigt ihren eigenen und den Körper des anderen Kindes. Dabei respektieren sie, wie in anderen Spielen auch, in der Regel die Grenzen des anderen Kindes. Kinder führen anderen Kindern keine Gegenstände anal oder vaginal ein, weil sie „Fiebermessen“ gesehen haben. Sie spielen auch z.B. Kochen, ohne dabei echte Lebensmittel zu benutzen. Es ist aber durchaus normal, wenn Kinder sich selber Gegenstände einführen möchten, oder mit den Fingern die Öffnungen ihres Körpers erkunden. Aus Gründen der Verletzungsgefahr raten viele Fachleute aber davon ab. Auch bei Doktorspielen kann es im Eifer zu versehentliche Grenzüberschreitungen kommen. Diese werden von den betroffenen Kindern meistens schnell verarbeitet, sollten aber ebenso Beachtung finden.
Bei sexuellen Übergriffen können die Folgen schwerwiegend sein.
Einige Kinder werden traumatisiert, andere Kinder zeigen einzelne Symptome einer psychischen Belastung (Spätfolgen sind noch nicht erforscht):
– einnässen/einkoten
– körperliche Schmerzen (Bauch- und Kopfschmerzen)
– rückläufige Entwicklung
– weinerliches-ängstliches Verhalten
– ständig Baby-sein-Wollen
– Angstträume und andere Verhaltensauffälligkeiten.
Für alle Symptome gibt es natürlich auch andere Erklärungen, so dass man nicht bei einem Symptom automatisch auf einen sexuellen Übergriff schließen kann. Umso wichtiger ist im Verdachtsfall eine professionelle Beratung, z.B. durch den Kinderarzt, bei Erziehungsberatungsstellen, usw.
Ausführliche Informationen erhalten Sie dazu bei:
Zartbitter e.V. Köln oder Münster (mit online Beratung)
Strohhalm e.V.
Eltern im Netz – Bayrisches Landesjugendamt
Freund, Ulli / Riedel-Breidenstein, Dagmar: Sexuelle Übergriffe unter Kindern. Handbuch zur Prävention und Intervention. Köln 3. Aufl. 2007. Hrsg.: Strohhalm e.V., Berlin
Violetta-hannover.de
Die Kinder
Bei sexuellen Übergriffen unter Kindern spricht man von ‚betroffenen‘ und ‚übergriffigen‘ Kindern.
Die Intervention bei sexuellen Übergriffen unter Kindern ist eine Frage des Kinderschutzes. Deshalb stehen Schutz und Hilfe für die betroffenen Kinder im Mittelpunkt.
Zitat: Strohhalm e.V.
Das betroffene Kind braucht Eltern/ Pädagogen, die ihm glauben, es trösten und Schutz vor weiteren Übergriffen bieten.
Manche Kinder erzählen sofort, was passiert ist, andere schämen sich dafür und brauchen Zeit.
Mit Hilfe von entsprechenden Kinderbüchern und/oder einer Erziehungsberatung lernen die Kinder, über den sexuellen Übergriff und ihre Ängste zu sprechen. Eltern erfahren, wie sie ihrem Kind helfen und mit möglichen Symptomen besser umgehen können.
Wichtige Botschaften an das betroffene Kind lauten;
– Ich glaube Dir
– Du bist nicht schuld
– Ich werde Dir helfen
– Du darfst – mußt aber nicht – darüber sprechen
– Deine Gefühle sind berechtigt – Du darfst traurig/wütend sein, usw.
Der Kinderarzt kann beurteilen, ob eine Vorstellung in einer Kinder- und Jugendpsychatrie sinnvoll ist.
Das übergriffige Kind
Wenn Kinder sexuelle Übergriffe begehen, kommt es darauf an, genau hinzusehen und angemessen zu handeln.
Sexuell übergriffiges Verhalten verwächst sich nicht, sondern kann gelernt und als Verhaltensmodoll für das weitere Leben übernommen werden. Forschungsergebnisse belegen, dass die meisten jugendlichen Sexualstraftäter bereits als Kinder durch sexuelle Übergriffe aufgefallen sind. Zitat: Strohhalm e.V.
Keinesfalls ist wiederholt oder gezieltes sexuell übergriffiges Verhalten eine Folge eines zufällig beobachteten Geschlechtsverkehrs. Sexuelle Übergriffe unter Kindern können ein Hinweis auf eigene sexuelle Gewalterfahrungen durch andere Kinder, Jugendliche oder Erwachsene sein.
Oftmals haben die Verhaltensauffälligkeiten jedoch andere Ursachen. Zum Beispiel:
• zu frühe und emotional überfordernde Konfrontation mit Erwachsenensexualität (zum Beispiel: pornografisches Bildmaterial),
• emotionale Vernachlässigung,
• Zeugenschaft von (häuslicher) Gewalt,
• körperliche Gewalterfahrungen in- und außerhalb der Familie,
• Mobbing-Erfahrungen in Kita und Grundschule,
• Vernachlässigung eines grenzachtenden Umgangs zwischen Kindern in pädagogischen Einrichtungen. Zitat: Zartbitter e.V., Köln
Prävention zum Schutz des Kindes vor (sexueller) Gewalt
– offensive Sexualerziehung
Ein professioneller Umgang mit Sexualpädagogik bedeutet, dass nicht allein persönliche Meinungen und Einstellungen den Umgang mit kindlichen Aktivitäten bestimmen dürfen
sondern Fachkenntnisse die Grundlage bilden.
Die Auseinandersetzung mit sexuellen Übergriffen unter Kindern ist daher kein sexualfeindliches Anliegen sondern verfolgt gerade das Ziel, eine freie Entwicklung der Sexualität der Kinder ohne Gewalt zu ermöglichen.
Je mehr Präventionsarbeit im Bereich sexueller Übergriffe / sexuellen Missbrauchs geleistet wird, umso mehr Freiheiten können Kindern gewährt werden.
Aus unseren Erfahrungen heraus können wir sagen, dass es sich lohnt, sich frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen, da schon Kleinkinder von sexueller Gewalt betroffen sein können.
Eltern, die soziale Kompetenzen der Kinder fördern, leisten einen wichtigen Beitrag zur Prävention.
Dazu bedarf es einer Haltung, die den Kindern im Alltag ermöglicht, Grenzen zu erkennen und zu respektieren.
Da Eltern als Vorbild fungieren, können sie ihren Kindern helfen, indem sie bewusst mit den persönlichen Grenzen des Kindes und dessen Gefühlen umgehen.
Nur wenige Eltern sagen ihren Kindern, was sie mögen oder wo ihre Grenzen sind. Aber genau daraus lernen Kinder.
Es spricht also nichts dagegen, seinem Kind zu sagen: „Ich mag jetzt nicht angefasst werden, weil ich das nicht schön finde“.
Ebenso hat das Kind das Recht, Nein zu sagen.
Grundsteine der Präventionsarbeit
- Stärkung der Wahrnehmung und des Selbstbewusstseins des Kindes
- Bestimmungsrecht über den eigenen Körper
- Wahrnehmungen von Gefühlen
- Vertrauen auf die eigene Intiution (Bauchgefühl)
- Umgang mit Geheimnissen / ‚gute‘ und ’schlechte‘ Geheimnisse
- sich anzuvertrauen ist kein Petzen
- Unterschiede zwischen ‚guten‘ – ‚komischen‘ – ’schlechten‘ Berührungen
- Hilfe holen
- Nein sagen dürfen
siehe auch Seite zur Prävention gegen Gewalt