Formen der Gewalt an Kindern

Alle Kinder haben das Recht darauf, gegen alle Formen von psychischer oder physischer Gewalt geschützt zu werden.“ (Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention)

„Als Hort der individuellen kindlichen und menschlichen Entwicklung – und damit als grundlegende Ressource unseres sozialen Systems – genießt die Familie besonderen staatlichen Respekt und Schutz.“ (Art. 6 Grundgesetz)
Zitiert aus: Gewalt gegen Kinder – Leitfaden für Ärzte und Institutionen in Mecklenburg-Vorpommern
Direkte Gewalt – Misshandlung

Bei der Kindesmisshandlung geschieht die Schädigung des Kindes nicht zufällig. Meist wird eine verantwortliche erwachsene Person wiederholt gegen ein Kind gewalttätig. Gewalt wird fast immer in der Familie oder in anderen Zusammenlebenssystemen ausgeübt. Häufig ist die Gewaltanwendung der Erwachsenen ein Ausdruck eigener Hilflosigkeit und Überforderung.

Körperliche Gewalt

Erwachsene üben körperliche Gewalt an Kindern in vielen verschiedenen Formen aus. Verbreitet sind Prügel, Schläge mit Gegenständen, Kneifen, Treten und Schütteln des Kindes. Daneben werden Stichverletzungen, Vergiftungen, Würgen und Ersticken, sowie thermische Schäden (Verbrennen, Verbrühen, Unterkühlen) beobachtet. Das Kind kann durch diese Verletzungen bleibende körperliche, geistige und seelische Schäden davontragen oder in Extremfällen daran sterben.

Dabei ist durch eine Änderung des § 1631 Bürgerliches Gesetzbuches (BGB) seit dem Jahr 2000 das Recht auf gewaltfreie Erziehung festgeschrieben worden. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind verboten.

Seelische Gewalt

Seelische oder psychische Gewalt sind „Haltungen, Gefühle und Aktionen, die zu einer schweren Beeinträchtigung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind führen und dessen geistig-seelische Entwicklung zu einer autonomen und lebensbejahenden Persönlichkeit behindern.“ (Eggers, 1994) . Die Schäden für die Kinder sind oft folgenschwer und daher mit denen der körperlichen Misshandlung vergleichbar.

Seelische Gewalt liegt z.B. dann vor, wenn dem Kind ein Gefühl der Ablehnung vermittelt wird. Für das Kind wird es besonders schwierig, ein stabiles Selbstbewusstsein aufzubauen. Diese Ablehnung wird ausgedrückt, indem das Kind gedemütigt und herabgesetzt, durch unangemessene Schulleistungen oder sportliche und künstlerische Anforderungen überfordert, oder durch Liebesentzug, Zurücksetzung, Gleichgültigkeit und Ignorieren bestraft wird.

Überzogene Bestrafungen sind Gewaltakte

Schwerwiegend sind ebenfalls Akte, die dem Kind Angst machen: Einsperren in einen dunklen Raum, Alleinlassen, Isolation des Kindes, Drohungen, Anbinden. Vielfach beschimpfen Eltern ihre Kinder in einem extrem überzogenen Maß oder brechen in Wutanfälle aus, die für das Kind nicht nachvollziehbar sind. Auch überbehütendes und überfürsorgliches Verhalten kann zu seelischer Gewalt werden, wenn es Ohnmacht, Wertlosigkeit und Abhängigkeit vermittelt.

Kinder werden in partnerschaftlichen Konflikten missbraucht

Mädchen und Jungen werden auch für die Bedürfnisse der Eltern missbraucht, indem sie gezwungen werden, sich elterliche Streitereien anzuhören, oder indem sie in Beziehungskonflikten instrumentalisiert werden.

Das Miterleben von Gewalt zwischen den Eltern kann Mädchen und Jungen Schaden zufügen. Zudem ist das Risiko, selber Opfer von Gewalt zu werden, stark erhöht, wenn es zu Gewalt in der Partnerschaft kommt. Kinder sind häufig anwesend, wenn der Vater die Mutter schlägt oder bedroht, sie werden Augen- und/oder Ohrenzeugen von Gewalt, sie sind z. T. auch direkt in die Gewalt gegen ihre Mutter verwickelt: Sie bekommen Schläge ab, weil sie von der Mutter auf den Arm gehalten werden, sie werden als „Geiseln“ genommen, um (oftmals) die Mutter zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, sie sind gezwungen, bei Gewalttaten zuzusehen oder werden aufgefordert, dabei mitzumachen.

Vernachlässigung

Die Vernachlässigung stellt eine Besonderheit sowohl der körperlichen als auch der seelischen Kindesmisshandlung dar. Eltern können Kindern Zuwendung, Liebe und Akzeptanz, Betreuung, Schutz und Förderung verweigern. Diese Verweigerung kann auch zu schweren physischen Beeinträchtigungen führen. Dazu gehören mangelnde Ernährung, unzureichende Pflege und gesundheitliche Fürsorge bis hin zur völligen Verwahrlosung.
Diese andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns kann bewusst oder unbewusst, aufgrund unzureichender Einsicht oder unzureichenden Wissens erfolgen und sind Ausdruck einer stark beeinträchtigten Beziehung zwischen Eltern und Kind. Um gerade die langfristige Auswirkung von Vernachlässigung zu verdeutlichen, ist folgende Definition hilfreich:

„Die durch Vernachlässigung bewirkte chronische Unterversorgung des Kindes durch die nachhaltige Nichtberücksichtigung, Missachtung oder Versagung seiner Lebensbedürfnisse hemmt, beeinträchtigt oder schädigt seine körperliche, geistige und seelische Entwicklung und kann zu gravierenden bleibenden Schäden oder gar zum Tode des Kindes führen.“ (Schone, 1997 ).

Indirekte Gewalt/Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt meint physische, sexuelle, psychische, soziale und emotionale Gewalt zwischen erwachsenen Menschen, die in naher Beziehung zueinander stehen oder gestanden haben. Sie findet im vermeintlichen Schutzraum des eigenen zu Hause statt und wird meistens von Männern gegen Frauen ausgeübt (vgl. BIG e.V., 1997).

Kinder und Jugendliche sind indirekt mitbetroffen

Kinder und Jugendliche, die wiederholt ernste physische und psychische Gewalthandlungen gegen ihre Mutter, die von deren Beziehungspartner ausgingen, erlebt haben, sind in indirekter Weise ebenfalls betroffen von dieser Gewalt. Zusätzlich besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei Vorliegen häuslicher Gewalt auch die Kinder direkt misshandelt werden.

Misshandeltes Elternteil kann Schutz nicht sicher stellen

Kinder, die häusliche Gewalt erleben, sind darauf angewiesen, von außen Schutz und Unterstützung zu erhalten. Die Verantwortung für den Schutz der Kinder kann nicht allein von dem misshandelten Elternteil getragen werden, da dieses selbst Opfer von Gewalt ist und den eigenen Schutz nicht sicherstellen kann.

Kinder erleben Misshandlungen der Mutter mit

Einzelne Studien aus England zeigen, dass bei 30-50% der Fälle, in denen die Mutter misshandelt wird, mindestens ein Kind ebenfalls vom Partner/Vater körperlich misshandelt wird oder sexuelle Übergriffe erlebt hat. 75% der Kinder hatten Misshandlungen der Mutter miterlebt, 66% mitgehört (vgl. Kavemann, 2000).

Zitiert aus: Leitfaden für Pädagogen „Gewalt gegen Kinder“

Indirekte personelle Gewalt

1.2.1 Indirekte personelle Gewalt
Anders als bei Streitigkeiten geht es bei häuslicher Gewalt um die Ausübung von Macht und Kontrolle. Häusliche Gewalt ist selten ein einmaliges Ereignis, sondern meist eine Wiederholungstat und tritt in allen Schichten und Kulturen auf.
Die Kinder der Opfer stehen allerdings immer noch am Rande der Wahrnehmung. In der Mehrzahl der Fälle erleben Kinder und Jugendliche die Gewalt gegen ein Elternteil oder ihre Geschwister direkt und indirekt mit – und das auf allen Sinnesebenen. Sie sehen, wie die Mutter geschlagen oder vergewaltigt wird, sie hören, wie geschrien oder gewimmert wird oder ein Verstummen eintritt, sie spüren den Zorn der Streitenden, die eigene Angst und die der Geschwister. Die bedrohliche Atmosphäre steuert die Phantasie der Kinder. Sie fürchten um Eltern und Geschwister und wollen sie schützen. Sie fühlen sich allein und ohnmächtig.
Neben dem Erleben“müssen“ der Gewalt an Familienangehörigen, werden Kinder auch gezwungen, sexuelle Handlungen mit anzusehen. Auch Handlungen ohne Körperkontakt wie Exhibitionismus, Darbieten von Pornographie, sexuelle Sprache, gemeinsames Anschauen von pornographischen Bildern und das Herstellen von Kinderpornographie sind Gewalt am Kind und misshandeln es. Psychische Störungen und Verhaltensänderungen sind unausbleiblich und begleiten das Kind ein Leben lang.

Gewalt durch/von Medien

1.2.2 Gewalt durch/von Medien
Gewalt in Form von Bildern und Filmen gelangen täglich in die Haushalte und in die Hände und Köpfe unserer Kinder und Jugendlichen.
Bürgerkrieg, Bombenanschläge und Folterungen – Bilder von Gewalt und Zerstörung gehören zum Alltag in den Medien. Doch wo liegen die Grenzen der Zumutbarkeit für Kinder? Denn Bilder von Krieg, Krankheit, Tod oder Kriminalität lassen Kinder oft hilflos zurück.
In vielen Computerspielen soll zusätzlich durch eine möglichst realistische Darstellung der Spielwelt eine besondere Spielatmosphäre geschaffen werden. In Spielen mit Kampf- oder Kriegsszenarien schließt dies auch die Darstellung von Gewalt ein. Mit zunehmender technischer Entwicklung wird auch die Gewalt immer realistischer dargestellt.
Gewalt in den Medien geht nicht spurlos an Kindern bzw. Jugendlichen vorüber. Jüngere Kinder werden unruhig und ängstlich, manche schrecken nachts auf. Sie können oft noch nicht klar unterscheiden, ob es sich bei dem Gezeigten um Realität oder Fiktion handelt. Älteren Kindern ist diese Unterscheidung zwar bewusst, aber auch bei ihnen bleibt das Gefühl der Hilflosigkeit und Angst.
Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern ihrem Kind „als Partner zur Verfügung stehen“, sagt Professor Dr. Dieter Wiedemann, Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg: „Sie sollen mit ihm reden und seine Fragen beantworten. Das Kind soll merken, dass die Eltern sich interessieren.“ Bei problematischen Inhalten einfach unkommentiert abzuschalten, sei keine Lösung.
Wenn das Kind sehr verschlossen ist und sich nicht mehr mitteilt, plötzlich nervös, verängstigt oder bockig ist, Essensschwierigkeiten hat, seine Hausaufgaben nicht mehr macht, können das Hinweise darauf sein, dass es etwas nicht verarbeitet hat.
Bedauerlich ist, dass zunehmend in so vielen Kinderzimmern eigene TV-Geräte stehen. Kinder völlig von Bildern abzuschirmen, die sie möglicherweise beunruhigen oder ihnen Angst einflößen, ist nicht sinnvoll: Kinder sollen vielmehr lernen, Medien auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und eigenverantwortlich zu nutzen. Die Eltern sind dabei das wichtigste Vorbild und sollten sich dessen auch bewusst sein.